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pathologe - 8. Jan, 19:24

Wenn was sein sollte

Stock.fisch1@gmx.net


Nur ein Verdacht

Ich habe einige Tage überlegt ob ich diesen Text veröffentlichen soll steht er doch im krassem Gegensatz zu meinem bislang friedlichen und harmlosen Blöglein. Aber die Schlagzeilen die unser geliebter Innenminister macht reißen nicht ab und das öffentliche Interesse ist doch enorm.
Ich habe mich dazu entschlossen diesen Text zu veröffentlichen weil es mir einfach ein Anliegen ist einmal aufzuzeigen wie schnell man unter Verdacht gerät und weil ich mich diesem Thema nicht entziehen kann. Er befindet sich in der neu erstellten Rubrik ‚Nicht witzig’ und ich hoffe sehr das dort nicht allzu viele Texte erscheinen werden.

„Mir braucht das BKA keinen Trojaner zu schicken denn ich bin ein anständiger Bürger.“
Das sagte tatsächlich vor einiger Zeit dieser komische Mensch von Innenminister.
Nun, ich halte mich auch für einen anständigen Bürger und einen Trojaner bekam ich meines Wissens bisher auch noch nicht geschickt. Aber dafür hatte ich schon andere Gäste in meinem Privatleben.

Den genauen Wortlaut dieser Geschichte kann ich nicht mehr so genau nachvollziehen. Schließlich ist das schon ein paar Jahre her aber sinngemäß und im Großen und Ganzen passt das schon. Ich werde das nämlich nicht so schnell vergessen.

Vor ein paar Jahren, Schäuble war zu der Zeit gerade mal nicht Innenminister, klingelte mittags mein Handy.
Ich hatte zu der Zeit meine alte Wohnung gekündigt und war in den letzten Zügen meines Umzuges nach Hause.
Ich hatte meinen Job verloren und mein Arbeitsamt hatte mir eine Weiterbildung bewilligt die ich von meinen Erstwohnsitz schneller erreichen konnte.

„Stockfisch?“
„Guten Tag, sind sie Herr Stockfisch, Flachwasser?“
„Ja bitte, was kann ich für sie tun“
„Ich würde mich gerne mal mit ihnen unterhalten“
Die Stimme klang sehr ruhig und sachlich.
„Kein Problem ich bin am Rohr worum geht es denn?
Ich war gut aufgelegt und dachte das wäre noch jemand der sich für die Wohnung interessierte.
„Das möchte ich ihnen am Telefon nicht sagen“
„?, ja wenn sie mir nicht sagen wollen wer sie sind und was sie von mir wollen wünsche ich einen guten Tag“
Ich beendete die Verbindung.
Kurz darauf klingelte es wieder.
„Es geht um die Wohnung die sie als Mieter gekündigt haben und da hätte ich gerne ein paar Fragen dazu“
„Ja klar, aber das können sie doch am Telefon machen. Woher haben sie eigentlich diese Handynummer?
„Mir wäre es recht wenn wir uns persönlich unterhalten könnten. Am besten in Ihrer alten Wohnung. Wann sind sie denn wieder da?“
Auf die Frage mit der Handynummer ging er gar nicht ein. Die kannte sonst nur ich(steht auf einem kleinen Spickzettel im Geldbeutel) und sonst niemand.
„Wer sind Sie denn?“
„Auch das möchte ich ihnen am Telefon nicht sagen“
Wie das Gespräch damals genau endete weiß ich nicht mehr. Der Anrufer erwies sich jedenfalls als sehr ruhig, sachlich und hartnäckig so das wir zu einer Terminvereinbarung kamen.
Ich erklärte ihm das ich in ein paar Tagen noch mal in die Wohnung fahren würde um noch ein paar Restsachen abzuholen. Er notierte sich den Termin.
Während der Fahrt zur Wohnung klingelte mein Handy wieder.
„Stockfisch?“
„Ja guten Tag Herr Stockfisch ich wollte mich noch einmal bei Ihnen melden. Können sie reden?“
„?, einen kleinen Moment bitte ich muß da mal eben rechts ran fahren“
Ich fuhr auf einen kleinen Parkplatz eines Supermarktes und hielt an. Dann begann ein denkwürdiges Gespräch.
„Ja also mein Name ist Blabla und ich bin von der Kripo in Karlsruhe und möchte sie jetzt doch aufklären. Sie haben am soundsovielten ihre Wohnung gekündigt und in der nachfolgenden Zeit Interessenten zur Nachmiete empfangen. Richtig?“
„Mein Mund wurde etwas trocken. Ja das stimmt woher wissen sie das?“
„Ohh“ sagte er ganz stolz, „wir wissen noch mehr. Sie sind am … zum Einkaufen gefahren in den …Supermarkt und anschließend haben waren sie beim …Frisör.
Einen Tag später waren sie im …Fotoladen und haben Bewerbungsfotos machen lassen.
Als sie bezahlen wollten merkten sie das sie kein Geld mehr dabei hatten und sind zunächst in die Bankfiliale… an den Geldautomat gegangen. Ist das richtig?“
Ich war völlig perplex. Meine Gesichtsfarbe muß ziemlich ungesund ausgesehen haben weil mich die Leute, die an mir vorbei gingen um ihr Auto zu einzuräumen komisch anguckten.
„Ähh, ja das ist wohl richtig. Jetzt wo sie das sagen kann ich mich daran erinnern“
Was der mir da erzählte lag immerhin etwa 6 Wochen zurück.
„Aber sagen sie mal warum erzählen sie mir das alles und woher wissen sie das alles?“
„Woher wir das wissen spielt für sie keine Rolle Herr Stockfisch denn sie standen unter einem Mittäterverdacht“
„…“
Ich war sprachlos.
„Aber seien sie beruhigt die Sache hat sich seit gestern erledigt“
„Können sie mich jetzt aufklären oder nicht“ Ich wurde meiner Sprache wieder mächtig und war jetzt ziemlich sauer.
„Am …haben sie einen Mann in Ihrer Wohnung empfangen der sich als Nachmieter beworben hatte. Dieser Mann wurde polizeilich gesucht weil er zunächst spurlos von seiner Familie zu Hause verschwand, das Wohnmobil seines Nachbarn entwendete und in diesem später aufgefundenen Fahrzeug Einschusslöcher gefunden wurden.
Dieser Mann hat seine Wohnadresse auf ihre Wohnung die sie zu vergeben hatten gemeldet.
Aber die Sache hat sich gestern aufgeklärt, wir haben ihn gefunden und er sagte aus das sie mit der Sache nichts zu tun haben. Sie sind damit entlastet Herr Stockfisch und das wollte ich ihnen jetzt nur mitteilen denn damit hat sich unser Gesprächstermin erledigt. Schönen Tag noch.“
Er legte auf und ich war baff.
Ich fing an zu überlegen was der mir gerade erzählt hatte. Es war tatsächlich so das unter den Wohnungsbesichtigern einer war der etwas erzählte das er wegen eines Erbschaftsstreites mit seinem Bruder aus dem Elternhaus ausziehen musste, vorläufig in seinem Wohnmobil übernachtet und dringend eine Wohnung braucht. Die Geschichte klang mir plausibel, er erschien mir sehr sympathisch und machte einen gepflegten und netten Eindruck. Auf was man halt so achtet wenn man einen Nachmieter sucht den man weiterempfehlen kann. Die Empfehlung viel dann aber von meiner Seite für jemand anders aus unter anderem deshalb weil der Typ keine Telefonnummer hinterlassen konnte.
Die Polizei musste mich wohl für den Typen gehalten haben nachdem er meine alte Adresse als Wohnsitz angab und mich dann über Tage beschattet haben. Woher sollten die sonst wissen das ich Bewerbungsfotos machen ließ die zunächst nicht bezahlen konnte, woher wussten die sonst das ich beim Einkaufen nur in den einen Supermarkt fahre. Woher wussten die meine Handynummer? Was wussten und wissen die heute noch alles über mich was die mir nicht erzählt haben?

Was mich aber am meisten so sehr verwunderte war die Leichtigkeit mit der mir dieser Kommissar, oder was immer der von der Polizei war, mir das alles erzählte. Ich hatte mit solchen Leuten noch nie was zu tun und aus Filmen kennt man das so auch nicht.

Verflucht noch mal, was hatte ich verbrochen das ich polizeilich beschattet werde?
Ich hatte einen Nachmieter für eine Wohnung gesucht. Sonst nichts.
Ich war und bin immer noch ein ganz normaler unbescholtener Bürger der sein ganz normales Leben führt, zu der Zeit eben mal arbeitslos war und einen neuen Job und eine neue Bleibe suchte.

Bei der Vorstellung das ich von irgendwelchen Typen beschattet wurde ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, das mir Leute in den Einkaufswagen glotzten und sich womöglich Notizen machten was drin liegt, die mir hinterher fuhren und vielleicht auch beim spazieren gehen in der Fußgängerzone hinterher latschten, mir beim Selbstgespräche führen zuhörten und mitschrieben… Mir lief es damals und auch jetzt noch beim schreiben eiskalt den Rücken hinunter.
Nicht auszudenken was passiert wäre wenn meine Mutter an mein Handy gegangen wäre als es klingelte.
Die bohrenden Fragen und Sorgen hätten nicht aufgehört.

Jetzt, ein paar Jahre später, denke ich immer öfter über diese Geschichte nach.
Was würden die alles über mich erfahren wenn die gleiche Geschichte noch mal passieren würde?
Nach den Plänen des ’schon wieder Innenministers’ bräuchten die mich gar nicht mehr beschatten. Die würden auch so alles über mich in Erfahrung bringen, wahrscheinlich sogar mehr als ich selbst.
Sämtliche Gewohnheiten und Interessen, Kontostände, Emails, private Briefe, Reiseberichte, Adressen und Telefonnummern von Bekannten, wann ich segeln gehe und wie lange, wohin ich in Urlaub fahre und wie lange usw.
Ich würde es vielleicht nicht mal erfahren das ich untersucht und ausgeleuchtet wurde. Was mit den gesammelten Daten passiert ganz zu schweigen.

Ach ja, die Eingangs erwähnte Sache mit dem Trojaner:
Mir brauchen sie keinen zu schicken, ich bin ein anständiger Bürger. Jetzt müssen die Herren das bloß noch vorher wissen.
Soll ihn doch der Teufel holen diesen Innenminister.
sv (Gast) - 5. Apr, 08:55

Schon die Aussage, er (Schäuble) sei anständig ist ja ein horrender Witz. Der ist doch a) promovierter Jurist und sollte wissen, daß sich Ermittlungbehörden nicht für `unanständiges´ zu interessieren haben, sondern für Dinge, die strafrechtlich von Belang sind. Und b) es war doch der anständige Herr Schäuble, der 2000 eine entscheidende Rolle in dem CDU-Parteispendenskandal gespielt hat. Zur Erinnerung, da ging es um die 100tausend Mark Bar-Spende vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber. Es ist schon ein Skandal, daß der Typ seitdem überhaupt noch irgendeine politische Rolle spielt. Inzwischen hat er jedes Maß verloren. Da werden die WTC-Anschläge, die von Madrid, Kinderpornografie und alles mögliche zusammengerührt und "Sicherheitsinteressen" allen anderen (Bürger-)Rechten untergeordnet. Fingerabdrücke in Reisepässe? Ja hallo, wo soll´s denn noch hingehen? Und überhaupt ...

Stockfisch - 5. Apr, 19:35

Die Behauptung das er anständig ist hat er ja selbst gmacht. Von einem anderen habe ich das noch nicht gehört.
Die Schreibergeschichte wird nicht mehr erwähnt. Das ist der große Fehler in der journalistischen Berichterstattung. Wenn ein Thema alt genug ist wird es gerne vergessen.
Was zählt ist immer nur die neueste Schlagzeile.
Julia (Gast) - 5. Apr, 09:14

Whoa, da wird einem ja ganz anders. Das war mir auch nicht klar, dass man so einfach an diese Daten kommt - mit ganz normalen Mitteln, ohne besondere Datein und Trojaner. Und in einer so verdammt normalen Situation (jeder hat doch schonmal Nachmieter gesucht).

Man will wirklich nicht wissen, was noch kommt...

sv (Gast) - 5. Apr, 12:34

tracert & ping

Wenn ich, sv, eine IP-Adresse habe, dann ist es mir mit dem ganz normalen traceroute-Befehl möglich, mindestens die Stadt zu verorten, aus der jemand ein Posting ins Netz ablässt. Wenn es aus einem Studentenwohnheim kommt, hab ich gleich neben der Adresse auch die Zimmernummer dabei. Mit ping-Befehl kann ich herausfinden, ob der Rechner gerade online ist. Eine IP-Adresse bei google eingeben, kann auch zu sehr interessanten Ergebnissen führen. Nicht selten, daß sich ganze Identitäten aufdecken lassen können. Nun, das sind alles Dinge, also Bestandteile eines ganz normalen Betriebssystems auf jedem Rechner. Da lässt es sich ja leicht ausmalen, was für Möglichkeiten Ermittlungsehörden haben. Denke alleine an deren Zugriffsrechte bei den Telekommunikations-Unternehmen. Wer mich unter meinem bürgerlichen Namen im Internet sucht, findet nur 1 Unterschrift gegen die Einschränkung der Informationsfreiheit und 2 Stellungnahmen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Es ist Wahnsinn, wie unbedarft Leute ihre persönlichen Daten und anderes ins Internet stellen. Anonymität hat es im Internet noch nie gegeben, das ist eine Illusion.
sv (Gast) - 5. Apr, 12:39

Nachtrag

Die IP-Adresse findet sich übrigens oft im Quelltext ... rechte Maustaste -> Seitenquelltext anzeigen. Hier ist sie übrigens nicht zu sehen, aber bestimmt sichtbar zu machen ;-)
Stockfisch - 5. Apr, 19:42

@Julia: Das war auch mein intersesse einfach mal aufzuzeigen wie schnell man in Verdacht gerät und was dabei einem 'anständigen' Bürger passieren kann.
Ich schaue heute noch gerne mal in den Rückspiegel beim autofahren.
@sv: IP-Adressen prüfe über meinen Blogcounter aber auch nur dann wenn diese mir irgendwie von der Herkunft komisch vorkommt.
Ich habe kein Interesse meinen Lesern hinterher zu spionieren. Dann könnte ich das bloggen auch gleich sein lassen.
Ermitlungsbehörden werden wahrscheinlich ähnlich verfahren.
Julia (Gast) - 5. Apr, 13:29

Ja, wie Informationssuche mit Rechnern und dem Internet geht, das ist ja klar, aber wieviel auch voellig ohne geht, ist schon verblueffend. Was Stockfisch da passiert ist, ist ja ganz normale Ueberwachungsarbeit, ganz ohne viel High-Tech. Das<> finde ich so erschreckend.

Und auch, dass man sich da einfach so mit jemandem treffen soll, ohne zu wissen, wer das ueberhaupt ist, was der will und das man unter Verdacht steht. Was ist denn, wenn man sich da nicht auf ein Treffen einlaesst? Ich treff mich doch nicht mit fremden Kerlen, die mich einfach so auf dem Handy anrufen...

Stockfisch - 5. Apr, 19:51

Wenn man jetzt Dreck am Stecken hätte würde man mit sowas vielleicht eher rechnen oder zumindest damit das irgenwann einer an der Tür steht.
Aber so völlig ohne Vorahnung ist das ziemlich hart.
Wie es zu der Terminvereinbarung kam weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Aber es war halt so.
Heute sehe ích das auch anders. Da würde mir das nicht mehr passieren. Darüber hinaus wussten die wahrscheinlich auch wo ich meinen ersten Wohnsitz habe und häten dann notfalls einen Hausbesuch gemacht.
Interessant wird es erst wenn man sich die künftigen Möglichkeiten überlegt die sich der Schäuble da vorstellt. Da ist nichts mehr sicher. Wie schnell man als Verdächtiger eingestuft wird ist in der Geschichte zu sehen.

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